Hab ich dir schon von Miss Kitten erzählt? Miss Kitten ist meine Katze. Also, das darf ich ja eigentlich gar nicht sagen! Denn wenn sie das hört wird sie immer ganz beleidigt und miaut: “Ich gehöre nur mir! Sonst nichts und niemanden!”
Da hat sie auch recht, aber ist es so schlimm dass ich so sage? “Ja!” tobt Miss Kitten dann, “ich habe lange genug bei Menschen gelebt, die mich als ihren Besitz angesehen haben, über mich bestimmt haben und mich in ihrer Wohnung eingesperrt haben. Nichts für ungut, es gibt Katzen, die das mögen, aber mich hat es sehr unglücklich gemacht und deswegen bin ich auch weggeflogen!”
Ja, du hast richtig gelesen! Miss Kitten ist von ihrem alten Stadtleben weggeflogen und ist bei uns im Wald gelandet!
Erstens mal hat Miss Kitten das Leben in der Stadt nicht so gemocht und zweitens Mal hat sie davon eh nix mitbekommen, weil sie immer nur in einer kleinen Wohnung saß. Alleine. Meistens zumindest und wenn dann doch mal jemand nachhause kam und sie spielen wollte, bekam sie stattdessen Haue auf die Tatzen oder einen Ohr-Schnipser. Das tat weh. Sehr weh. Besonders im Herzen.
Das war so ein richtiges „Herrchen“, also eher noch ein fieser Herrscher, bei dem sie damals wohnte. Der war immer mies gelaunt und egal wie sie sich benahm, hat er sich über Miss Kitten geärgert. Da wurde sie immer trauriger und immer unsicherer und am Ende hat sie sich richtig klein und unnütz gefühlt.
Wär da nicht der kleine Junge von gegenüber gewesen. Der hat ihr immer zugewunken und gelächelt, wenn sie beim Fenster saß und rausschaute und obwohl sich Miss Kitten gar nicht glücklich fühlte, gab ihr dieses kleine, liebe Lächeln von dem Jungen Hoffnung, dass sie Besseres verdient hatte. Der Junge freute sich, wenn er das Kätzchen am Fenster sah und sie freute sich auf ihn und das war ein schönes Gefühl. Sie fühlte sich in diesem kleinen Moment sehr besonders und das half ihr, sich nicht ganz aufzugeben.
An Silvester war es dann soweit. Der Fiesling hatte Leute eingeladen und für die Neujahrsfeier die Wohnung festlich dekoriert. Mit Konfettischlangen und Ballons und so. Nach einer zu lauten und schrillen Nacht, in der sich das Kätzchen meist unter dem Bett verkroch, verliessen die letzten Gäste im Morgengrauen die Wohnung.
Gähnend machte der Mann das Fenster auf, er wollte nur noch ein bisschen lüften vor dem Schlafen gehen, da überkam es Miss Kitten und sie schnappte sich plötzlich eine Handvoll Luftballons und sprang abenteuerwütig durch das offene Fenster. Sie wusste nicht, was auf sie zukommt, aber irgendetwas schrie in ihr: “Jetzt oder nie!”
“Mit mir nicht mehr!”, rief sie durch die Nacht und schwor, sich nie wieder, auch nur ansatzweise, mit solch gemeinen Wesen zu begeben oder sich in eine solche Situation zu bringen. Daher ist sie da recht pingelig, wenn ich sage, dass Miss Kitten meine Katze ist und ich ihre Gefühle dadurch nicht wirklich respektiere.
Aber weiter mit der Geschichte. Nach einem langen Flug durch die Lüfte, verloren die Ballons immer mehr Luft und das Kätzchen immer mehr an Höhe. Da war sie eigentlich richtig froh, denn da oben war es so kalt, dass ihre Pfötchen eingefroren sind und Angst hatte sie auch. Sie kannte ja nur die Welt aus ihrem Fenster und nun flog sie über Wald und Seen. So etwas hatte sie noch nie gesehen! Alles wirkte so groß und dunkel und gar nicht freundlich.
Schießlich musste sie aber landen. Müde und erschöpft und voller Panik stieß Miss Kitten ihre Krallen aus, doch was sie da mit ihren Pfötchen spürte, war wohl das Feinste, was sie je erlebt hatte. Sie sank ein in ein Bett aus warmen, weichen Moos. Wie Astrid Lindgren schon sagte, wer jemals barfuß im Sommer in den schwedischen Wäldern gelaufen ist, wird das sanfte, wohlige Gefühl von frisch gewachsenen Sommergras und Moos nie mehr vergessen.
Die Luft war feucht und roch ganz wohlig warm und sie hörte fröhlichen Vogelgesang, den Flügelschlag einer Libelle und aus der Ferne das Klopfen eines Spechtes. Kein brummen, hupen, schimpfen, knurren, schreien, maulen ..es klang einfach nur nach Frieden.
Langsam kroch ein zufriedenes Kribbeln durch ihren Körper. Miss Kitten ließ sich nach hinten fallen und schaute nach oben durch die vielen hohen Baumwipfel. Wo immer sie auch war, sie war jetzt zuhause und so schlief sie seelig ein.
..und so hab wir sie dann entdeckt. Sixten und ich waren Blaubeer pfücken und da fanden wir Miss Kitten. Wie ein Engel lag sie auf einem kleinen Mooshügel. Die Sonne strahlte auf ihr weißes Fell und es fehlte eigentlich nur noch ein Halleluja in den Lüften.
Sixten trug sie zu uns nachhause und wir gaben ihr Milch und eine Sardine zu essen. Sie war so klein und ängstlich und als sie uns von ihrer Reise erzählte, hat sie erstmal nur geweint.
Da kam Oma Inga Fuchs zu Besuch und sie nahm Miss Kitten in den Arm und erzählte ihr von Krafttieren. Das sind persönliche Wegbegleiter und diese erscheinen in Tiergestalt. Sie gelten als Hüter der Menschen, geben diesem Kraft und begleiten ihn auf seinen Wegen. Ein Krafttier kann auch in schwierigen Situationen oder Lebensphasen auftreten und seinen Schützling in dieser Zeit unterstützen und stärken.
Die Katze ist auch ein Krafttier. Sie ist frei, eigenständig und geschmeidig. Erscheint dir eine Katze, zeigt es dir, dass nur Selbstbestimmung auf den Weg zur Freiheit führt. Denn häufig machen wir unseren Selbstwert von den Verhaltensweisen anderer abhängig. Wir wünschen uns Anerkennung und Zuneigung und gleichzeitig haben wir Angst vor Zurückweisung. Die Katze als Krafttier hilft dir dich von alten Mustern zu lösen, deine Angst vor Ablehnung und Kritik zu überwinden, dich von der Meinung anderer zu befreien und nach eigenen Werten zu leben.
“..und diese Eigenschaften sind alle in dir, sonst wärst du heute nicht hier.”
Als Miss Kitten Oma Ingas Worte hörte, begannen ihre Augen zu strahlen. Es machte sie so stolz, dass sie so ein kraftvolles Wesen ist und was soll ich sagen, unsere kleine, ängstliche Katze wurde immer selbstbewusster, eigenwilliger und zickiger und auch eitler. Tag für Tag. Heute ist sie schon ein ganzes Weilchen bei uns und wir lieben sie alle sehr, weil sie so ein großes Herz hat und sie sich für jeden einsetzt und kämpft, wenn sie sieht, dass dieser jemand ungerecht behandelt wird.
Hast du Miss Kitten vielleicht gesehen, als sie hoch oben im Himmel flog? Du hast sie vermutlich sogar ein Stückchen begleitet.