Gestern war Halloween. Da treiben Geister und andere, nicht ganz so lebendige Wesen ihr Unwesen. Wenn man den alten Kelten glaubt, verchwimmt in dieser Nacht die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Verstorbenen und die Geister der Toten kehren auf die Erde zurück.
Die Kelten lebten vor ganz langer Zeit dort, wo heute Irland, England und Nordfrankreich liegen und am 31. Oktober feierten sie Samhein, den Beginn des keltischen Jahres.
Da in der keltischen Neujahrsnacht die Türen zur Welt der Toten offen stehen, hatten sie schon damals Angst, dass nicht nur freundliche Seelen zu Besuch kommen. Daher verkleideten sich die Kelten selber gruselig und Furcht erregend, um böse Geister und Dämonen zu vertreiben.
Seither sind etwa 2000 Jahre vergangen und das mit dem gruselig Verkleiden, das macht man immer noch. Nur heute gehen die schaurigen Gestalten von Tür zu Tür und betteln um Süßigkeiten. Diesen Brauch nennt man “Süsses oder Saures” und er ist ganz besonders bei uns Kindern beliebt.
Auch Miss Kitten, Sixten und ich waren unterwegs und wir sahen super schauerlich aus. Ich wollte mich ja eigentlich als Die Böse Hexe des Westens aus dem Zauberer von Oz verkleiden, entschieden hab ich mich dann aber als Gothic Doll durch die Nacht zu geistern. Puppen finde ich ja so gruselig!
Selbst Sixten, der sich anfangs weigerte, sich zu verkleiden und mit uns mitzugehen, ließ sich dann doch dazu überreden und verwandelte sich in ein Schrecken erregendes Bettlaken-Gespenst! 👻
Sixten ist nämlich total gegen Halloween, weil er ganz klar der Meinung ist, dass heutzutage die ganze Gruselfeier nur veranstaltet wird, damit gierige Leute Milliarden damit verdienen, Plastikramsch und anderen Müll zu verkaufen.
So falsch liegt er damit leider wahrscheinlich nicht. Ich hab unlängst gelesen, dass im Jahr zuvor US-Amerikaner fast 500 Millionen Dollar für Kostüme ausgegeben haben! Diese Kostüme waren aber nicht für sie selber oder ihre Kinder, sondern 500 Millionen Dollar nur für Kostüme um ihre Haustiere einzukleiden! Wieviel haben sie dann für sich selber ausgegeben und dann noch Halloween Deko oben drauf!!?? Und das, während im selben Land etwa 40 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben. Also wenn das wahr ist, dann verstehe ich, dass die Geister böse werden!
Sixten und ich sind dann in eine ziemliche Diskussion hineingekippt . Als Miss Kitten mittendrin dann hörte, dass sich die Kelten damals bei ihrer Samhein-Feier mit Tierköpfen und Tierhäuten kostümierten und Freudenfeuer zündeten, um Getreide und Tiere als Opfer für ihre Gottheiten darin zu verbrennen, war die gute Stimmung ganz vorbei.
Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie schlimm Miss Kitten das fand! Sie wurde ganz beleidigt und schimpfte wild mit Sixten, dass es viel besser ist, wenn sich die Leute mit Ramsch und Müll kostümieren, als mit toten Tieren!! Ausserdem findet sie ihr Kostüm gar nicht ramschig sondern BE-ZAU-BERND!
Nachdem jeder von uns zumindest einmal an diesem Abend sauer war, hatte sich die Lage beruhigt und ich konnte doch noch beide dazu überreden, das Fest mit den Verstorbenen zu feiern. Schliesslich kommt so ein Besuch aus dem Jenseits nicht alle Tage vor und ich finde den Gedanken schön, dass sich Lebende und Tote begegnen und ein fröhliches Wiedersehen feiern. Denn um den Spaß daran nicht zu verderben, möchte ich nicht glauben, dass sich darunter auch fiese Geister mischen.
Nur um Kröten und Moneten kann’s dem Geist von Halloween nicht gehn. Denn was als Samhein begann, wanderte mit den Iren nach Amerika aus und motivierte dort Menschen verschiedener Herkünfte und Überzeugungen ihre Bräuche zu vermischen und gemeinsam eine gruselige, aber auch fröhliche Party zu feiern. Vielleicht warst ja sogar du dabei!
..und wer weiß, vielleicht haben sich die Amerikaner damals von den Schweden inspirieren lassen, als sie “Süsses oder Saures” einführten. Hier gibt es nämlich einen ähnlichen Brauch zu Ostern. Da verkleiden sich Kinder als påskkärringar. Das sind Hexen, die sich am Gründonnerstag auf den Weg nach Blåkulla machen, um dort mit dem Teufel Hexensabbat zu feiern. Die Hexenkinder gehen von Tür zu Tür und verteilen kleine Bilder mit Ostermotiven und bekommen als Dank Süsses oder andere kleine Gaben. Den Brauch gibt es schon seit dem 18. Jahrundert, also kann es doch gut möglich sein, dass er mit den Iren ins gelobte Land wanderte.
Ich habe keine Ahnung, warum in Schweden verteufelte Hexen bei den Nachbarn klopfen um Frohe Ostern zu wünschen oder warum die Kelten dachten, Dämonen und boshafte Seelen würden sich vor ihren Kostümierungen fürchten, aber Oma Inga Fuchs hat mir aber einmal gesagt:
“Es gibt viele Dinge und Wesen die uns Angst machen, weil wir sie wahrnehmen, aber nicht klar sehen und erklären können. Die dunklen Schatten der Bäume, der Tod oder das Leben danach, das unendliche Universum oder das Gefühl in einem leeren Raum zu stehn, aber nicht alleine zu sein.
Was uns fremd und daher nicht geheuer ist, können wir unser Leben lang fürchten oder mit offenen und freundlichen Augen begegnen. Unsere Erfahrungen über Jahrtausende hinweg haben doch schon bewiesen: Wie vielen bösen Geistern bist du schon begegnet? Keinem. Wie oft hingegen hattest du schon die Gewissheit, dass dir unbekannte Energien unerklärliches Glück im Unglück brachten? Das Ungewisse ist, was wir darüber denken. Wir selber entscheiden uns dafür, ob es gut oder böse, schön oder schrecklich, zum heulen oder lachen ist.”
Oma Fuchs sah mich wohl selten so ernst an: “Sieh doch nur, wie die Mexikaner an El Día de los Muertos ihre geliebten Toten feiern. So reizend wie die, schmückt niemand anders den Tod. Wenn ich dann auch mal geh, dann wünsche ich mir, dass du dich mit Freude an mich erinnerst. Tanzen sollst du, weil ich dich liebe und in meinem Herzen trage.”
Manche entscheiden sich für eine andere Art dem Ungewissen zu begegnen. Die katholische Kirche hat da zum Beispiel zu fröhlichen Totenfeste eine ganz andere Einstellung und versuchte schon vor 1000 Jahren die heidnischen Bräuche mit Allerheiligen und Allerseelen zu verdrängen. Während sich vergnügte Zombies und bunt geschmückte Totenköpfe und Skelette gemeinsam amüsieren, feiert die Kirche heute noch Allerheiligen ganz im Stillen. Die andächtigen Christen sollen an diesem Tag nicht gestört werden.
Oma Inga meint, beide Wege mit dem Tod umzugehen sind wichtig. Man muss seine Trauer zulassen. Es ist ein natürlicher Prozess. “Aber irgendwann hört’s sich dann auf! Wir müssen alle sterben und dann sehen wir uns doch wieder.”
Da hat sie wohl recht, man kann es mit der Trauer auch übertreiben. Sixten hat mir erzählt, dass in manchen Teilen Deutschlands am 1. November sogar ein gesetzliches Tanzverbot herrscht!! Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Das ist doch etwas übertrieben mit der Andacht!
Um so ironischer ist es dann, dass der Name Halloween eine Verkürzung von All Hallow’s Eve ist und so nennt sich der Abend vor Allerheiligen auf Englisch.
Daher gibt’s statt All Hallow’s Trübsal ein Happy Halloween! Wir sehn uns nächstes Jahr!